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Junebug

USA 2005

DVD 102min

Standort

WestEnd Drama - Hollywood

Sprachen
Deutsch, Englisch   
Untertitel
Deutsch   
Regie
Phil Morrison
Drehbuch
Angus MacLachlan
Kamera
Peter Donahue
Produzent
Mindy Goldberg
Schauspiel
Amy Adams, Embeth Davidtz, Alessandro Nivola, Celia Weston, Robert Harris, Will Oldham, Scott Wilson, Tanya Allen, Alicia Van Couvering, David Kuhn, Benjamin McKenzie
Awards
Independent Spirit für Amy Adams
Empfohlen von
Martin, Mitarbeiter
Genre
Drama, Komödie
Stichworte
Debüt, Familie
Inhalt
Die frisch verheiratete Kunsthändlerin Madeleine will einen Deal mit einem zurückgezogen lebenden Maler abschließen und ihn deshalb in seinem Heimatdorf in North Carolina besuchen. Ihr Ehemann George erklärt sich bereit, Madeleine auf dem Trip zu begleiten und sie endlich seiner in der Nähe lebenden Familie vorzustellen. Das Erscheinen des verlorenen Sohnes und seiner kultivierten Ehefrau sorgt dafür, dass lange verborgene Ängste und Verbitterungen zum Vorschein kommen und die mühselig im Lot gehaltene Familienbalance nachhaltig ins Wanken bringen - großartig gespielte Independent-Komödie.(x)

Kommentare

4 Punkte von Lars Tuncay:
Die Südstaaten der USA sind wohl der verschrobenste Landstrich des Kontinents. Hier treffen Glaubensfanatiker auf Voodoopriester und die Landstraßen sind flankiert von Kuriositätenkabinetts. Wer hier her kommt und es in die Großstädte geschafft hat, blickt ungern zurück. Mehr als ein halbes Jahr nach der Hochzeit wird es für George aber dann doch mal Zeit, seine Ehefrau Madeleine seinen Eltern vorzustellen. Da in der Nähe ein viel versprechender Künstler lebt, den die Galleristin gerne unter Vertrag nehmen würde, verbindet sie das Berufliche kurzerhand mit dem Privaten und macht mehr als einen Abstecher zu dem verschrobenen Hinterwäldler, auch um der bürgerlichen Enge des Hauses ihrer Schwiegereltern zu entkommen. Auch George fühlt sich dort nicht wohl und entgegnet dem Ganzen mit Apathie. Die Schwangerschaft seiner quirligen Schwägerin bringt alle schließlich zusammen. In langen Einstellungen porträtiert Regisseur Phil Morrison seine Heimat und wir ahnen, dass es sich hier um einen sehr persönlichen Film handelt. Stileben gleich arrangiert er Wohnräume, schießt Fotos von Figuren am Wegesrand und stellt die Menschen dieses Landstrichs als liebenswertes, leicht seltsames Volk dar, das zusammengehalten wird von einer tiefen Gottesgläubigkeit. Durch seine starken Darsteller, darunter die herausragende Amy Adams, die für ihre Darstellung bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, und die sensible, ruhige Erzählweise wirkt sein Film echt und greifbar. Ein feines Stück Independentkino.

5 Punkte von Susanne Schulz:
Um ein sehr rares und besonderes Gut handelt es sich bei „Junebug“: ein Film, in den man analysenlos abtaucht, um glücklich wieder aufzutauchen. Mehr noch: der einen den Glauben an die Großartigkeit des Kinos zurückgibt, weil er wunderbar vielschichtige Freude bereitet. Phil Morrison schenkt uns mit seinem Spielfilmdebüt nicht nur einen bezaubernden Liebesfilm, eine genau beobachtete Familienstudie, einen scharfsinnigen Kommentar zur Kunstszene und eine politische Studie über weltanschauliche Grenzerfahrungen in den Vereinigten Staaten. Sondern auch eine Komödie mit urkomischen Dialogen, die sich dank einer völlig unkapriziösen Dramaturgie leichtfüßig in eine Tragödie wandelt. Denn wenn Madeleine (Embeth Davidtz) und Georges (Alessandro Nivola) am Ende ihr Auto besteigen, um das verschlafene Städtchen Pfafftown in North Carolina wieder zu verlassen, ist eigentlich ein Orkan von Missverständnissen und Emotionen über die Leinwand gefegt. Morrison vergewaltigt den Betrachter jedoch nicht. Er zwingt nicht zu Empfindungen, die er, wenn er gewollt hätte, mit sehr wenigen filmischen Mitteln billig hätte provozieren können. Er nimmt sich zurück – und darin liegt eine immense Kraft. Madeleine und Georges sind mehr durch Zufall in der amerikanischen Provinz gelandet, denn eigentlich wollte die britische Galeristin nur ihre neueste Entdeckung besuchen: David Wark, ein autodidaktisches Künstlergenie wie aus dem Bilderbuch, dem die Ideen zu wilden Bildern mit weißen Sklaven und überdimensionalen Penissen noch „erscheinen“. Doch Georges Eltern wohnen für amerikanische Verhältnisse nur einen Steinwurf entfernt; ein Familienbesuch bietet sich an. Das frisch vermählte junge Paar leuchtet vor Glück und Schönheit und strahlt so viel Kosmopolität aus, dass das pure Eindringen in das elterliche Haus in einer konservativen, tiefreligiösen Kleinstadt schon Affront genug ist. Bildung, ausgewählter Geschmack und offensichtlich gelebte Sexualität stoßen im republikanischen mittleren Westen auf ein tiefverwurzeltes Misstrauen. Georges Mutter macht keinen Hehl daraus, dass die Schwiegertochter nicht ihren Vorstellungen entspricht, Bruder Johnny (wunderbar: Benjamin McKenzie) fällt sofort wieder in alte Rivalitäten zurück, und das Familienoberhaupt steigt lieber gleich in den Keller zu seinen Schnitzwerkzeugen. Nur Ashley, Johnnys hochschwangere Freundin, ist sofort verliebt in Madeleine, verkörpert diese für sie den Inbegriff von Schlankheit, Stil und großer weiter Welt. Mit Naivität und unermüdlichem Redefluss nimmt sie der befangenen Situation ihre Schwere. Trotz der vielen Figuren versteht es Morrison, jeden seiner Charaktere präzise und behutsam zu gestalten. Er weiß auch sehr genau, was er erzählt, stammt er doch selbst aus Winston-Salem, welches für Pfafftown Pate stand. Durchsetzt mit ergreifend einfachen Stills von verwaisten Schlafzimmern und kümmerlichen Trockenblumenarrangements, kleinen Momentaufnahmen von Landschaften und Menschen seiner Heimat fügt der Filmemacher, der bisher vornehmlich Musikvideos gedreht hat, unaufdringlich und fast melodisch seinen Plot zusammen. Langsam tritt dabei unter dem piefigen Alltag der Kleinstadtfamilie das kleine und oft geschmähte Glück zu Tage, das in langjährig erprobter Gewohnheit liegt: Georges beschert mit seiner schönen Stimme wieder einmal der gesamten Kirchengemeinde feuchte Augen, ohne Worte findet alles seinen Platz, die Sandwiches den favorisierten Belag, und manche Geste bedarf keiner Erklärung. Das ist Familie. So wie wir sie kennen und fürchten. Denn nichts und niemand wirft uns so auf uns selbst zurück. Erst wer sich seiner selbst bewusst – aber mit Liebe im Herzen – vor Mutters selbstgehäkelte Spitzendeckchen setzt ohne anmaßend zu wirken, ist wirklich bei sich angekommen. Und wer liebt, kommt deshalb auch an den Spitzendeckchen der Familie des Gegenüber nicht vorbei.

© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb