4 Punkte von Björn Siebert:
Steve McQueen als Regisseur eines Filmes mit dem Titel "Hunger"? Zuerst denkt man an "Thomas Crowne McQueen" der ist aber seit 1980 tot und dürfte nur schwer aus seinem Grab entsprungen sein um schnell mal bei einem Film Regie zu führen. Die Auflösung ist: Es ist der andere bekannte McQueen, der britische Künstler, der 1999 für seine Photographien und Installationen den Turner Prize erhielt. Das macht natürlich erst mal mißtrauisch. Künstler als Filmemacher? Meist ist das aufgeblasene Grütze die da bei rauskommt: Der unerträgliche Julian Schnabel ist der lebende Beweis dafür. Von Cindy Shermans Horrorfilm und Matthew Barneys Björk-Vaseline-Penetration mal ganz zu schweigen. Auch Douglas Gordon wollte in letzter Zeit im großen Theater mitspielen. Sein Zidan-Film roch wenigstens nach Experiment und Kunst und nicht nach Kommerz mit künstlerisch-dekorativen Spielereien. McQueens Film will erst mal historisches Erzählkino sein. Ohne große Ausstattung und wie in einem Kammerspiel bringt er seinen Film auf den Punkt. Sein Vorteil zu all den anderen ausgebildeten Filmemachern und ehemaligen Werbefilmern ist am Ende seine Unabhängigkeit als Künstler. So interessiert sich McQueen rein gar nicht für Action und Erzählung, für Spannung, große Schauspielmomente oder preisverdächtige opulente Szenen. In diesem Film regiert der Körper und das Bild über Körperlichkeit. Da könnte man eine Parallelen zu Darren Aronofskys "The Wrestler" ziehen, der allerdings vom Filmemacher zu sehr auf Indepentent-Kunstkino getrimmt wurde. McQueen verzichtet in seinem Film auf offensichtliche filmhistorische Verweise oder Genremuster und so findet sein Film eher als "The Wrestler" zu einer inneren Ruhe. Natürlich ist "Hunger" ein heftiger Film jedoch niemals anmaßend brutal, ekelig oder voyeuristisch. Er ist einfach ungemein präzise. Einen großen Anteil hat daran Sean Bobbitt, der für McQueen Bilder voll dokumentarischer Schärfe und lyrischer Tiefe schuf. Sein Cutter brachte dabei mit einer konzentrierten Arbeit den richtigen Rhythmus in den Film. Man muss gestehen: Ein Absolvent einer Filmhochschule hätte daraus sicher einen unerträglichen Polit-Thriller gemacht. Manchmal ist es gut, dass Autodidakten die Seiten Wechseln und das langweilige Gegenwartskino mit ein wenig Tiefe und echter Anteilnahmen für Filmkunst bereichern.
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