5 Punkte von Lars Tuncay:
Ein Bollwerk aus Beton steht am Rande einer Autobahn, die nie ihren Zweck erfüllen durfte, die Menschen in Windeseile von A nach B zu befördern. Wie eine Festung gegen den Fortschritt erhebt sich das schmucklose Haus. Papa baut am Pool, Mutti hängt die Wäsche auf und die Kinder aalen in der Sonne oder toben auf dem Asphalt. Zehn Jahre ging das gut, doch jeder Traum hat irgendwann ein Ende. Als die Bauarbeiter kommen und die Fahrbahn neu asphaltieren, kündigt das den Untergang eines Traums von Freiheit an. Es dauert nicht lang und die erste Blechkiste rast vorbei an den Unverbesserlichen, die bis zuletzt nicht an das Unausweichliche glauben wollen. Doch das Autobahnradio verkündet die Zukunft und die bedeutet für die einen ein Ersparnis von einer Stunde Arbeitsweg und für die anderen den Untergang des familiären Glücks – auch wenn die sich mit Oropax und Zement dagegen wehren.
Fast wie ein Relikt aus dem ökologischen Aufklärungskino der frühen Achtziger wirkt das Langfilmdebüt der Schweizerin Ursula Meier. Sowohl die Klamotten, als auch die Innenarchitektur wirken ebenso aus einer anderen Zeit stammend wie die Ideale der Protagonisten. Ihr Kampf gegen den Fortschritt wurde schon vor Jahrzehnten von Atomgegnern und Friedensmarschiern verloren. Das sich ihre Figuren dennoch nicht der Lächerlichkeit preisgeben, verdankt die Regisseurin ihren Darstellern, allen voran Isabelle Huppert als entkräftete Mutter zwischen Beschützungstrieb und Nervenzusammenbruch. Ein Meisterwerk voller Symbolik beschwört „Home“ das Zuhause als Mittelpunkt des familiären Lebens und erreicht auf vielerlei Ebenen mehr, als es Reden und Transparente vermögen.
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