5 Punkte von Lars Tuncay:
Die letzten 24 Stunden im Leben zweier Selbstmordattentäter: die Freunde Said und Khaled leben in einem kleinen palästinensischen Ort, arbeiten in einer Werkstatt und hängen ihren Träumen nach. In ihrer Perspektivlosigkeit suchten sie nach einem Weg, ihrem Leben einen Sinn zu geben und schlossen sich einer radikalen Anti-Israelischen Gruppe an. Ohne Vorwarnung werden sie eines Abends in die Zentrale der Gruppe gerufen und erfahren, dass sie am nächsten Morgen nach Tel Aviv aufbrechen und für den Heiligen Krieg sterben werden. Als Suicide-Bomber sollen sie in einer belebten Gegend für größtmöglichen Schaden sorgen. Nach Außen geben sich die beiden jungen Männer stark und entschlossen, doch innerlich beginnen sie mehr und mehr zu zweifeln. Schließlich geht das Unternehmen schief und die Beiden werden getrennt.
Wo immer dieser Film auftaucht, wird er für Kontroversen sorgen. Das ist richtig, denn wenn Hanyu Abu-Assad etwas beabsichtigte, dann doch Diskussionen auszulösen. Wie auch immer man zu seiner Herangehensweise der Vermenschlichung von Mördern, deren Psyche er detailliert durchleuchtet und der bei ihm nie polarisierend wirkenden Fokussierung auf eine Konfliktpartei stehen mag – „Paradise Now“ ist zunächst einmal ein sehr guter Film. Seine beiden Hauptdarsteller Ali Suliman („Die syrische Braut“) und Kais Nashef verkörpern die zwischen Zweifel und Verzweiflung zerrissenen Charaktere mit einem hohen Maß an Intensität und die Handlung bietet viele Spannungsmomente. Zudem bringt der in den Niederlanden lebende Regisseur und Drehbuchautor ein wichtiges Thema auf die Leinwand und rückt dabei in vielen absurden Szenen die Sinnlosigkeit des Konflikts in den Vordergrund.
1 Punkte von Max:
Sie haben eine Kinokarte für den Film „Paradise
Now“ von Hany Abu-Assad gekauft. Dieser Film
verharmlost und legitimiert die Ermordung unschuldiger
Menschen durch so genannte Selbstmordattentäter,
deren mörderische Handlungen noch immer
als Verzweifl ungstaten entschuldigt und deren zahlreiche
Opfer verschwiegen werden.
Allein in Israel wurden zwischen September 2000
und Februar 2005 durch Selbstmordattentate 731
Zivilisten getötet und 4998 verwundet. Eine Umfrage
von 2002 zeigte, dass 15,4% der israelischen
Bevölkerung (jüdische wie arabische Israelis) in den
letzten 18 Monaten persönlich von Terroranschlägen
betroffen wurden. Von rund einem Fünftel der
Befragten wurden Familienmitglieder oder Freunde
durch Selbstmordattentate verwundet oder getötet.
Der Film Paradise Now“ zeigt die Opfer der Anschläge
nicht. Er zeigt Verständnis für die Täter.
Der Regisseur des Films Hany Abu-Assad erklärte
in einem Interview: „Die Selbstmordanschläge sind
eine Folge der Unterdrückung, die zuerst aufhören
muss. […] Ich bin gegen die Tötung von Menschen,
und ich will das stoppen. Aber ich verurteile die
Selbstmordattentäter nicht. Für mich ist das eine
sehr menschliche Reaktion auf eine extreme Situation.“
(www.quantara.de)
Die einseitigen Schuldzuweisungen gegen
Israel und seine Bevölkerung, die in dem Film geäußert
werden, zielen bewusst darauf, die Opfer der
Selbstmordattentate aus dem Fokus zu nehmen, um
jedes Mitgefühl mit ihnen zu vermeiden. Stattdessen
sollen die Mörder Opfer sein?
„Wir befinden uns im Krieg und ich bin ein Soldat.
Ich und Tausende wie ich haben alles aufgegeben,
um dem einen Gott zu dienen. Ich bin überzeugt,
daß ich nach meiner Tat ins Paradies gelangen
werde.“ erklärte Mohammad Sidique Khan, einer
der Attentäter von London. Antisemitischer Hass
auf Israel, die Juden und „den Westen“ ist Antrieb
der Bereitschaft, sich selbst als lebende Bombe zu
töten. Darin äußert sich nicht Verzweiflung, sondern
Vernichtungswahn. So erklärte ein 22jähriger
Hamas Bomber, ein Universitätsstudent, in seinem
Abschiedsbrief: „Wie schön ist es zu töten und getötet
zu werden.“ Durch Selbstmordanschläge wie in
Israel, aber auch in New York, auf Djerba oder Bali,
in Madrid oder zuletzt in London sollen so viele
Menschen wie möglich, unabhängig ihrer Herkunft,
ihres Glaubens oder ihrer politischen Einstellung
ermordet werden. Darüber hinaus wird den Opfern,
als Juden oder Vertretern „des Westens“ die Schuld
an den antisemitischen Projektionen der Mörder
gegeben.
Vor wenigen Wochen wurde vom Kultusministerium
der Palästinensischen Autonomiebehörde das
Buch „Was sagte Hanadi“ herausgegeben. Es handelt
sich um eine poetische Lobeshymne auf Jaradat
Hanadi (genannt „Die Rose von Palästina“), eine
junge Palästinenserin, die sich im Oktober 2003 in
einem Restaurant in Haifa in die Luft gesprengt hatte;
29 Israelis starben bei dem Anschlag. Im Buch
heißt es: „Oh Hanadi, erschüttere die Erde unter den
Füßen unserer Feinde, sprenge sie in die Luft! Es
ist Hanadis Hochzeitstag, wenn der Märtyrertod für
Allah das höchste Ziel wird.“
Beim Selbstmordanschlag von Jaradat Hanadi in
dem beliebten Restaurant Maxim in der Nähe von
Haifa verlor eine Frau ihre Eltern, ihren Bruder,
dessen neunjährigen Sohn und ihren jüngsten Sohn:
„Ich erinnere mich, dass die Attentäterin zwischen
meinem Vater und meinem Bruder in dem Restaurant
stand. Sie sah aus wie eine junge israelische
Frau und sie war sehr schwanger. Ich erinnere mich,
dass ich dachte ‚Was macht sie da zwischen meinem
Vater und meinem Bruder?’ Als das Restaurant
in die Luft flog, dachte ich an nichts mehr – aber ich
wusste, dass Mitglieder meiner Familie tot waren.
[…] In einer Sekunde waren drei Generationen meiner
Familie ermordet worden. Ich wusste nicht, an
wen ich zuerst denken sollte. Ich dachte an unseren
überlebenden Sohn Omri und seinen Verlust. Wir
sagen zu unseren Kindern in Israel, dass die Shoah
sich nie wiederholen wird, aber für unsere Familie
hat es sich wiederholt. Dies war nicht Deutschland,
nicht Polen, sondern Israel. Wir können unseren
Kindern nicht erzählen, dass Israel ein sicherer Platz
für Juden ist.“
Die israelische Familientherapeutin Eleanor Pardess
berichtet über die Folgen eines Selbstmordanschlages:
„Zivilisten, die an Orten wie Cafés oder Discotheken
getötet werden, werden an Orten ermordet,
die als sichere Zonen angesehen werden – die zum
Kampfgebiet geworden sind. Einige menschliche
Voraussetzungen werden grundlegend erschüttert,
wenn jemand dir in die Augen schaut und dich dann
in die Luft sprengt, oder wenn die Medien Bilder
von Menschen zeigen, die jubelnd durch Straßen
tanzen und Glieder unserer Toten in ihren Händen
halten. Menschen können nicht glauben, dass jemand,
den sie gar nicht kennen, einen Bus in die
Luft sprengt, in dem sie sitzen (oder einen Zug wie
in Madrid).“
Am Ende des Films „Paradise Now“ werden Sie einem
solchen Menschen in die Augen sehen, der sich
in einem Bus in die Luft sprengt. Sie werden nur
noch seine Augen sehen. Die Opfer, die ermordeten
Passagiere in diesem Bus, sehen Sie nicht. Sie sitzen
in einem Kino, nicht in einem israelischen Bus!
Paradise no!
Die Zitate und Ergebnisse der Umfragen stammen aus
der Studie „Burning Flowers, Burning Dreams. Consequences
of Suicide Bombings on Civilians“
Flugblatt von www.typoskript.net / juedische.at / antifanews.de
5 Punkte von Nicole:
Paradsie now ist ein genialer Film, der den Zuschauer von der ersten Sekunde an in eine Welt zieht, die ihm fremd ist. Was weiß ein Mitteleuropäer über den Nahostkonflikt? Über Beweggründe, Motive, Lebenssituationen und die Emotionen, die Menschen zu grausamsten Taten treiben? Paradise now gibt Einblick in genau diese Welt und ermöglicht einen Eindruck jenseits der Zeitungsrealität. Dem Film gelingt es, die unterschiedlichsten Positionen innerhalb der palästinensischen Widerstandsbewegung zu verdeutlichen und so ist er alles andere als einseitig. Er verharmlost an keiner Stelle, weder die Selbstmordattentate noch die Lebenssituation in der Westbank. Ansehen!
3 Punkte von T- Bone Steak:
Als Thriller, als Spannungskino perfekt- als politischer Film absolut fragwürdig. Und da er sich nun explizit als solcher äußert, muss man ihn als solchen beurteilen. In meinen Augen ein vollkommenes, weil sehr subtiles Stücke Filmdemagogie. Genial? Ja klar. Genial, weil man sich die Geste der Selbstkritik gönnt. Man verurteilt ein Verbrechen (Selbstmordanschläge) und artikuliert im selben Atemzug Verständnis dafür. Schließlich sind die Täter doch „nur“ verzweifelte Opfer. Ein phantastischer Kniff, denn man kann es drehen und wenden wie man will: es sind die Israelis, die selber Schuld haben, wenn sie von eigentlich netten, jungen Männern in die Luft gebombt werden. Hört die Besatzung auf, hört das Leiden auf, hört das Bomben auf. Einfach, was? Für die westliche Ratio- Kausalitäten- Kette sicherlich. Die Fakten versalzen einem das ein wenig. Die meisten und schlimmsten Anschläge in Israel fanden in Entspannungszeiten statt, in Zeiten des Dialogs, der Friedensgespräche. Weniger Anschläge folgten im Zuge harter, repressiver Maßnahmen: von gezielten Tötungen (zynisch oder nicht: unterm Strich eine erfolgreiche Strategie) über Grenzschließungen bis zum verteufelten „Mauerbau“. Kurz: Selbstmordattentäter sind Un- Menschen. Ideologisch motivierte Verbrecher. Judenhasser. Deren bekannte Devise: lieber einen Schulbus sprengen, als einen Militärkonvoi. Bringt mehr Publicity, mehr leidende Juden. Also größeren Triumph. Dass ein Künstler auch nach dem „dahinter“ sucht, ist legitim und wichtig. In PARADISE NOW geschieht das mit viel Empathie- und zu wenig Distanz. Dass Abu- Assad seine zwei Helden als, sagen wir, Selbstmordattentäter der „netten Art“ darstellt, als liebe Kerle, die nicht anders können, ist dabei nichts als inkonsequent und/oder verlogen. Demagogisch. Man achte auf die letzte Szene: Ein Bus in Tel Aviv, in dem fast nur israelische Soldaten sitzen. Den besteigt der angehende palästinensische Märtyrer... Bloß gut! Zivilisten- oder gar Kinderkillende Sympathieträger wollte man sensiblen Westlern – für die vor allem ist ja der Film- wohl doch nicht zumuten.
2 Punkte von chriskrank:
leider ein enttäuschender film. was sind die motive der attentäter? außer dem schlagwort "besatzung" sieht man keinen alltag unter den besatzern, unterdrückung taucht nur als wort auf. so ist der gut gemeinte film in dieser hinsicht sehr oberflächlich. es mutet sehr überraschend an, wenn die beiden freunde im zweiten drittel des films plötzlich als selbstmordattentäter engagiert werden, da ihr leben vorher ganz ruhig und normal dargestellt wird. dennoch kann der film den zuschauer treffen und berühren; auf seine art und weise...
5 Punkte von Ina Siebers:
Ein großartiger, sensibler und zutiefst erschreckender Film.
Als ich auf der Suche nach einem arabisch-sprachigen Film war und diesen als einer der wenigen gefunden habe, war ich enttäuscht.
Bei eurem breiten, internationalen Sortiment fand ich es Schade, dass auch hier der arabische Kulturkreis vorallem mit einem Terroristenfilm vertreten ist.
Obwohl das Thema in dem Arabischen Raum wichtig, aktuell und bestimmend ist, ist es trotzdem hoffentlich nicht alles, was es dort thematisch "rauszuholen" gibt und interessiert. MfG
5 Punkte von anonym:
zur Kritik von Ina Siebers, im Nahen Osten spricht man nicht nur arabisch, deshalb empfehle ich dir unter "Stöbern" "Region" Naher Osten zu wählen.
3 Punkte von anonym:
unschlüssig. gut und doch zu einfach.
© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb